Schweizerisches Arbeiterschach
Der ASV Gurten hat im Schweizerischen
Arbeiterschach lange Zeit eine wesentliche Rolle gespielt. Manchmal stimmte der
halbe Verein an den Delegiertentagen mit, da wir durch Zentralvorstandsmitglieder,
durch die SGM-Leitung, die Redaktion und den Regionalvorstand zusätzliche
Mandate hatten.
Meines Wissens ist der ASV Gurten ausser
dem ASK Winterthur der einzige Verein, der den Namen "Arbeiter" in
seinem Vereinsnamen weiterführt. Dies ist ein Grund dafür, einen kurzen
Rückblick in die Geschichte des ehemaligen Schweizerischen
Arbeiter-Schachbundes (SASB) zu tun.
Schon um die Jahrhundertwende, als die
Arbeiter erstmals nach heftigen Kämpfen ein geringes Mass an Freizeit erfochten
hatten, regte sich unter den werktätigen Schichten ein ungeheurer
Bildungshunger. Das Schach war eine der möglichen Betätigungsarten, da es zu
seiner Ausübung keine grossen Investitionen erfordert.
Die Ursprünge der Arbeiterschachbewegung
der Schweiz lagen in Zürich, das mit seinem hohen Ausländeranteil, vorwiegend
Deutsche, wesentliche Anregungen aus der europäischen Szene erhielt.
1900 wurde der Arbeiterschachverein
Neu-Zürich gegründet, der sich 1910 in ASK International umbenannte und sogar
die Wirren des ersten Weltkrieges zu überstehen vermochte. 1920 bestanden
alsdann weitere unabhängige Sektionen in Basel, Bern und Winterthur, so dass
sich diese Klubs 1922 mit Olten zum Schweizerischen Arbeiter Schachbund SASB
zusammenschlossen und als Auslandkreis dem DASB beitraten. Schon 1930 wurde
eine eigene Verbandszeitung herausgegeben und die Ablösung von unserer
nördlichen Nachbarorganisation vollzogen.
Als bester Boden für die Entwicklung galten
die Städte, da dort am meisten Arbeiter spielten. Der SASB machte an seinen
Delegiertentagen eine recht stürmische Entwicklung durch, manch politischer
Strauss wurde wegen Richtungsfragen ausgefochten. Nach dem zweiten Weltkrieg
verschwand die sozialistische Tendenz allmählich, und die Angestellten nahmen
gemäss der wirtschaftlichen Umschichtung einen immer grösseren Platz in unserem
damaligen Dachverband ein. 1981 wurde schlussendlich jeglicher politische
Passus aus den Statuten gestrichen, so dass der ASV Gurten und der SASB fortan
politisch völlig unabhängig dastanden und Mitglieder aus allen
Bevölkerungsschichten und mit verschiedenen politischen Einstellungen
vereinten.
Dieser Umbau setzte sich fort, und 1995 kam
es dann zur lange Jahre vorbereiteten Fusion des SASB mit dem SSV zum
Schweizerischen Schachbund. Das Schweizer Schach-Magazin stellte mit der
Juli-Nummer sein Erscheinen ein.
Die SASB-Klubs hatten ausgerechnet in einer
Phase mit florierendem Spielbetrieb, interessanter Verbandszeitung und gesunden
Finanzen einen neuen Partner gefunden und zwar nicht aus ideologischen Gründen,
sondern schlicht und einfach deshalb, weil kein neuer Zentralpräsident mehr zu
finden war.
Ob dem Schweizer Schach mit der Fusion
gedient war, wird sich erst noch zeigen müssen, denn Skeptiker aus
Gurten-Kreisen haben in den letzten Jahren Recht bekommen, da das
Preis-/Leistungsverhältnis eher schlechter ist als vor der Fusion.
Der ASV Gurten war stets ein Hort der
Kameradschaft, aber auch der Solidarität. Wo es ging, wurde finanziell
ausgeholfen, wurden Stellen vermittelt und manchmal half in schwieriger Lage
auch schon das geduldige Zuhören und ein gut gemeinter Rat.
Der ASV Gurten ist heute politisch
unabhängig und die Arbeiter sind nur noch am Rande vertreten. An der
Grundeinstellung hat sich jedoch nichts geändert, und die Devise des ASV Gurten
lautet nach wie vor: Schach ins Volk!
Matthias Burkhalter